
Unser erstes Online-Semester ist gerade durch. Die Lockerungen nach dem Lockdown stimmen alle optimistisch und die Hoffnung kommt auf, dass das alles bald vorbei sein wird und wir uns wieder in den Klassenräumen und zum Kaffeetrinken treffen können. Obschon sich mein Studiengang optimal für den online Unterricht anbietet, war es ein sehr harziges Semester. Grösster Frustrationsgrund: Die Reisen nach Rotterdam und Berlin, die nun nicht stattfinden können. Wir haben einen unglaublich tollen Klassengeist und alle meine Mitstudenten und Mitstudentinnen sind mir bereits im ersten Halbjahr enorm ams Herz gewachsen. Es sind Freundschaften entstanden, von denen ich überzeugt bin, dass sie auch über die Ausbildung hinaus erhalten bleiben werden.
Sehr happy war ich, als plötzlich ein neuer Gruppenchat im Whatsapp aufgetaucht ist. "MMP Camp". "Nicht noch ein Gruppenchat", ist in Zeiten der Dauererreichbarkeit eigentlich die erste Reaktion. Doch einige aus meiner Klasse haben etwas ganz tolles in die Wege geleitet.
Eine Klassenreunion in der Natur! Ich möchte am Rande erwähnen, dass der Ausflug wohl nicht der coronakonformste war, doch in der Schweiz schien der Virus über die Sommermonate wie von der Bildfläche verschwunden. Dieser Regelbruch hat glücklicherweise auch keine schlechten Nachwirkungen mit sich gezogen und definitiv unseren Seelen gut getan!
Das Programm: Eine Bergübernachtung in Zelten in der Nähe von Sigriswil + 1 Übernachtung im Jugendhostel Iseltwald, Badespass am Brienzersee.
Tag 1: Bergübernachtung
Unser Ausflug startete bei der Busstation Sigriswil Dorf. Der Ort an der Goldküste des Thunersees liegt nicht weit von meinem zu Hause entfernt und doch habe ich mich einer Fahrgruppe angeschlossen, da ich mein Gepäck noch genügend lange tragen werden muss.
Nach und nach trudeln bekannte Gesichter ein und die Wiedersehensfreude ist gross. Wenn auch etwas komisch, da man in Zeiten von social-distance schon beinahe zu verlernen scheint, wie man sich begrüsst oder unter Menschen verhält. Die Stimmung ist sehr lebendig und die Truppe verteilt sich erneut auf 3 Autos und wir fahren der sich schlängelnden Strasse entlang weit hinten ins Tal. Unser "Guide" Hannes verlässt unsere Klasse leider nach dem ersten Studiumsjahr. Er ist in Sigriswil aufgewachsen und kennt die Gegend in und auswendig. Der Ausflug soll auch gleichzeitig eine Art Abschied für ihn sein. Wildcampen ist in der Schweiz eigentlich nicht erlaubt und wir bewegen uns im legalen Graubereich. Unser Ziel liegt so abgeschieden, dass wir wohl nicht erwischt werden. Zudem hat Hannes hier genügend Bekanntschaften, um mögliche Konsequenzen mit seinem Charme wettmachen zu können :P
Wie Schleppesel bepackt watscheln wir los. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits einige Sonnentage in der Schweiz, die mich auf zahlreiche Wandertouren gezogen haben. Dementsprechend fühle ich mich trainiert, komme jedoch schnell an meine Grenzen. Wandern mit Gepäck fühlt sich definitiv anders an als mit leichtem Tagesrucksack. Schliesslich mussten wir auch Verpflegung für 1 Übernachtung mitnehmen. Mein nur etwa 2kg schweres Wurfzelt, welches ich mir extra für diese Tour angeschafft habe, ist zwar wirklich leicht, durch seine runde Form jedoch unglaublich mühsam zu tragen. Als die Route dann immer steiler dem Hang entlang führt und wir uns abschnittweise an Seilen zum hochkraxeln halten müssen, wird das Gepäcktragen zum Balanceakt und mir kurz schwummrig vor Augen.
Hier so kurz vor dem Ziel bricht die erste Person ab. Philips Höhenangst macht nicht mer mit und leider kehrt er um und wird am nächsten Tag im flacheren Bereich wieder zu uns stossen. Nachträglich betrachtet eine gute Entscheidung, denn unser Ziel liegt ziemlich auf der Spitze des Bergkamms und gegen Ende hin mussten wir noch sehr gegen den starken Wind ankämpfen, bis wir schliesslich die flache Ebene erreichten, wo wir unsere Zelte aufschlugen.
Ca. 2 Stunden haben wir gebraucht, um in diese Idylle aufzusteigen. Unsere 5 Zelte schlagen wir so auf, dass wir eine wunderbare Aussicht auf Thun hinunter und Richtung Sonnenuntergang haben. Ausser uns befindet sich noch ein weiteres Zelt hier oben mit einem Päärchen, dass sich gerade auf einer Mehrtägigen Bergtour befindet. Susan verzaubert die beiden natürlich sofort mit ihrer fröhlichen Art und nimmt damit uns allen unser schlechtes Gewissen, ihre Zweisamkeit ausgerechnet hier in dieser wunderschönen Landschaft zu stören.
Die Temperaturen fallen enorm schnell in dieser Höhe, denn wir befinden uns über der Baumgrenze. Verschwitzt vom Wandern kühlt man natürlich umso mehr ab. In den Zelten wird es jedoch schnell kuschlig und wir wärmen uns innerlich mit Berliner Luft und Moscato auf. Unserem Lärm trotzen lediglich die zahlreichen Schafe, die frischfröhlich durch unser Nachtlager spazieren und Verschulder unserer verdreckten Stiefel am nächsten Tag sind.


Ausblick aus dem Schlafzimmer



Tag 2: Iseltwald Hostellife
Nach dem Zähneputzen mit der wohl schönsten Aussicht, die wir je bei unserer Morgenroutine gehabt haben, packen wir Ruckzuck alle Sachen zusammen, was aufgrund des Morgentaus und der vielen Schafss*** eine etwas schmutzige Angelegenheit ist und machen uns auf an den Abstieg.
Die aufgehende Sonne kündigt einen wunderbaren Tag an und ich spreche wohl für alle, dass wir uns nach der Nacht im Zelt sehr auf das saubere Wasser des Brienzersees freuen.
Aufgeteilt in Fahrergruppen machen wir uns auf Richtung Interlaken, wo sich die Gruppe mit Grilladen und natürlich viel Flüssignahrung für den Abend eindeckt. Unser Ziel ist Iseltwald. Ein kleines Dorf direkt am See, das durch sein Schloss auf einer Insel an touristischer Popularität gewonnen hat. Hier nächtigen wir eine Nacht im Jugendhostel. Schon der Zimmerbezug lässt alte Weltreisegefühle hochkommen und ich freue mich, wiedermal eine Nacht in einem Stockbett zu verbringen.
Unsere Nachmittagsbeschäftigung findet vor allem im Wasser statt, was mein Herz sowieso immer höher schlagen lässt. Mit dem Gummiboot paddeln wir zu einer kleinen Privatinsel, schwimmen zu einem Floss oder faulenzen auf der Wiese direkt am See.
Später verbringen wir den Abend vor der Feuerstelle und holen noch stundenlang all die Zeit nach, die wir gemeinsam verpasst haben.

Es war ein wunderschöner 2-Tagesausflug umgeben von tollen menschen und mit Wiederholungsbedarf für nächsten Sommer.
VISUAL VIBES VON MANUEL STUCKER
Mein Studienkollege hat seine neue mini Drohne über den See fliegen lassen. Sein Video davon darf ich hier mit euch teilen.
