Im August letzten Jahres verschlug es mich zum ersten Mal in die traumhafte Region der Grimselwelt. Seit jeher zähle ich die Region im Berner Oberland zu meinem schönsten Reisegebiet in der Schweiz. Heute soll sich das erneut bestätigen.
Trotz der schlechten Wettervorhersage fahren wir frühmorgens zur Talstation in Gadmen. Ausser meinem T5 Büsli befindet sich nur das Auto der Ticketarbeiterin auf dem Parkplatz. Beim öffnen der Autotür möchte ich sofort wieder den Motor anlassen und mich in die warme Fahrerkabine kuscheln. Es regnet und graue Wolken verdecken die sonst so imposante Bergkulisse. Wie ich bereits in meinem ersten Blogpost beschrieben habe, muss man sich die Tickets für die kleine Gondel vorab besorgen, da die Plätze sehr beschränkt sind. So ist es wohl mehr das bereits bezahlte Ticket und die Aussicht, dass ich das Büsli bald meinem Vater zurückbringen werde und nicht mehr so mobil in der Schweiz herumdüsen kann, die uns hinaus in den Regen ziehen.
Der Nebel begleitet uns die gesamte 10-minütige Fahrt hinauf. Im Gegensatz zum Vorjahr hat der Regen heute zahlreiche kleine Wasserfälle gebildet und das Wasser tropft in Strömen die steilen Felswände hinab.
Oben angekommen überprüfen wir erneut den Wetterbericht. Dieser macht Hoffnung mit Aussichten auf einen sonnigen Nachmittag.
Der Regen hat nachgelassen und die schnell vorbeiziehenden Wolken verleihen der Landschaft eine mystische Stimmung. Untermalt wird die Szenerie vom donnern des herabströmenden Wassers. Dem Fluss entlang soll es uns ziehen, bis hoch zu seinem Ursprung: Dem Triftgletscher.
Nach den ersten Schritten springe ich erschrocken zurück! Überall auf dem Weg sind kleine schwarze Salamander aus ihren Schlupflöchern gekrochen. Die kleinen Echsen scheinen es nass zu mögen. Sofort erhellen die grusligen Tiere unsere Stimmung. Die Begegnung mit diesen faszinierenden Tierchen, die so gar nicht an diesen Ort zu passen scheinen, wäre uns bei besseren Wetterbedingungen vorenthalten geblieben.
So achten wir beim weiterwandern nun stets darauf, nicht ausversehen auf eine der Salamander draufzutreten. Beim Aufstieg begegnen wir einigen Schafen. Deren Blicke scheinen uns stumm zu fragen, was wir bei diesem Wetter hier verloren haben.
Stolz stelle ich fest, dass mir die Wanderung, die ich vor einem Jahr noch als sehr anstrengend wahrgenommen habe, heute viel leichter fällt. Was an meiner sportlichen Begleitung liegen kann, die mich mit schnelle Gang natürlich mitzieht, verbuche ich allerdings stolz als Ausdaueranstieg, verdankt an den zahlreichen Wanderungen, die dieses sonderbare Jahr versüsst haben.
Oben angekommen ist das Wetter leider nach wie vor ernüchternd. Auf den Wetterbericht kann man in dieser Höhe nicht gehen, die Wolken ziehen so schnell vom Tal hinauf, dass wir uns schon wieder im Regen befinden. Unter einem Regenschirm, auf einem Plastiksack sitzend, essen wir die mitgebrachten Sandwiches bis die zunehmend zitternden Finger zum Aufbruch rufen. Den Gletscher, der sich am Ende des vor uns ausbreitenden Gletschersees befindet, konnten wir nur kurz erhaschen.
Schliesslich beschliessen wir, den Schildern zu folgen und zur SAC Hütte aufzubrechen. Mit der Hoffnung, dass diese überhaupt geöffnet hat und wir uns hoffentlich bei einer Suppe aufwärmen können, versuchen wir den Aufstieg direkt von der Triftbrücke aus. Die Aussicht auf die steilen und nun auch noch rutschigen Felsen vor uns, zwingt uns schliesslich zum umdrehen zur Abzweigung, von der wir gerade erst gekommen sind.
Bei der Hütte angekommen dann die Erleichterung: Die Stube hat geöffnet und sofort strömt uns eine Wärme aus der Küche entgegen. Schnell schlüpfen wir aus den verdreckten Wanderschuhen hinein in die bereitliegenden Pantoffeln.
Die junge Zürcherin bereitet uns eine leckere Suppe zu und auch ein Stück Kuchen lassen wir uns mit offenen Armen andrehen. Wir erfahren, dass sie die Sommermonate hier oben verbringt um etwas aus dem Stadtleben zu flüchten. Zustimmend nicken wir, auch uns hat es aus der hektischen Grossstadt vertrieben.
Während dem durchblättern der Wanderhefte aktualisieren wir beinahe im Minutentakt den Wetterbericht. Es ist früher Nachmittag und die Sonne müsste gemäss diesem schon längst durch die dicken Regenwolken drücken. Der Blick auf die Uhr lässt uns nervös werden. Die letzte Talfahrt ist bereits um 16 Uhr. Wenn wir nochmals zur Hängebrücke möchten könnte es sehr knapp werden, die letzte Gondel noch zu erwischen.
Und plötzlich... der Blick aus dem Fenster... ein blaues Loch scheint sich durch die Wolken gekämpft zu haben. Wir schauen uns an und müssen nicht lange überlegen.
Die Wanderung gleicht nun eher einem Joggingtrip, so schnell setzen wir einen Fuss vor den anderen um erneut dieselbe Route zur Triftbrücke zu nehmen. Unsere Geduld und der anschliessende hektische Aufbruch zahlen sich aus: Für 20 Minuten geniessen wir einen traumhaften Blick auf den Triftgletscher und die Landschaft, überqueren die Brücke und können sogar kurz die Drohne aufsteigen lassen.
20 Minuten pure Freude, bevor der Gletscher schon wieder im Wolkendickicht verschwindet und die Uhr zum Aufbruch zur Gondelstation ruft.
Wären die Umstände anders gewesen, hätte ich den Ausflug heute aufgrund des Wetters mit Sicherheit abgeblasen. Die Einmaligkeit der Begegnung mit den schwarzen Echsen, ein fast menschenleeres Wandergebiet und der Wechsel von Regen zu Sonnenschein, haben meinen zweiten Besuch bei der Triftbrücke jedoch absolut einzigartig gemacht und mir bewusst gemacht, dass man den Tag auch ohne perfektes Wetter nutzen kann.
Mein Picknick mit Aussicht hatte ich nun. Jedoch anders als wohl im Blogpost aus dem Vorjahr erwartet auf einem Plastiksack und mit pflotschnassen Haaren =D
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