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Ägypten · Tauchbrevet in Hurghada

Das Knallen der Feuerwerkskörper weckt mich aus dem Tiefschlaf. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass wir den Übergang ins neue Jahr friedlich verschlafen haben. Was spielts schon gross für eine Rolle, denke ich mir und nerve mich, morgenmuffelig wie ich im Alter zunehmend werde, ab dem Lärm vorm Schlafzimmerfenster. Neujahr hin oder her. Diese vermeintlich ruhige Übergangzeit vom einen ins nächste Jahr verleitet mich jedes Jahr dazu, dem kalten Winter zu entfliehen. Und dieses mal steige ich besonders vorfreudig in den Flieger. Denn am ersten Reiseziel 2022 erfülle ich mir einen lang ersehnten Traum.


Ramona und Adi haben sich kurzerhand Philipp und mir angeschlossen. Zu viert kämpfen wir uns durch die Hektik vor dem Visaschalter und sind froh, gegen Abendessenszeit endlich unser Hotel zu erreichen. Leicht erschlagen mischen wir uns ins Getümmel vor dem Buffet. Die typische Art, Ferien in Ägypten zu machen: All inclusive. Doch unser Ziel gilt etwas anderem, als möglichst viel aus dem gebuchten Paket herauszuschlagen und uns zwischen Billigalkohol und lauwarmen Essen die Mägen zu füllen. Es ist an der Zeit: Ich lerne Tauchen!


Spätestens seit meinen Schnorchelgängen in Indonesien im 2018 und 2019, wo ich kaum noch aus dem Wasser wollte und aus dem Staunen über die bunte Unterwasserwelt nicht mehr herauskam, ist es beschlossene Sache. Mir war klar, wenn ich das Brevet mache, dann definitiv in warmen Gegenden, wo man schon beim ersten Blick von der Oberfläche hinunter eine Vorahnung auf die Artenvielfalt der Meere erhaschen kann. Da ich die einzige in unserer Gruppe bin, der das Brevet noch fehlt, steige ich am Folgetag alleine ins Taxi. Nervös und vorfreudig zugleich klopft mein Herz. Die vorbeirauschende Landschaft Hurghadas lenkt mich etwas ab. Ägypten ist mein erstes Land auf dem afrikanischen Kontinent und kulturell nochmals ein ganz neuer Eindruck. So ganz klar komme ich noch nicht mit den vielen Eindrücken und ich bin froh, als mich Sam und Adnan von der Rückbank aus anquatschen und mich das Gespräch mit ihnen aus meinen Gedanken reisst.

Das Paar stammt aus London, wo sie sich bei ihrer Arbeit als Ärzte kennengelernt haben. Adnan teilt meine Abneigung gegenüber der Kälte, weswegen er mittlerweile die meiste Zeit des Jahres in Mexiko lebt. Sein Bankkonto füllt er jeweils in einigen Monaten als Arzt in England. Ansonsten blubbert er zwischen den Fischen vor den Küsten Mexikos. Klingt nach einem tollen Lebenskonzept. Die beiden planen, nach Sams Ausbildung nach Spanien zu ziehen, woher Adnans Wurzeln stammen.

Sam ist die Aufregung noch mehr ins Gesicht geschrieben als mir. Und das, obwohl sie schon mal einen Schnuppertauchgang gemacht hat. Ich werfe mich etwas ins kalte Wasser, bin aber seit jeher überzeugt, Tauchen, das wird mir gefallen und mein Ding! So habe ich die gesamte Theorie vom Padi Kurs in strebermanier bereits von zu Hause aus erledigt. Für das Tauchzentrum habe ich mich aufgrund der überwiegend guten unter über Tausend Bewertungen entschieden. Die sympathische Webseite und schnelle Rückmeldung sprachen ebenfalls für die Funnydivers.

Kosten Kurs: 320$ Kosten 1 Tag mit 2 Tauchgängen inkl. Mittagessen, Getränke und Ausrüstung: 40$ Zum Vergleich: im Hotel verlangten sie 85$


Als wir beim Tauchzentrum inmitten Hurghadas eintreffen, geht es zügig ans Anprobieren der Ausrüstung. In einem dürftig eingerichteten Nebenraum, wiederholen Sam und ich unser Tauchmantra „It‘s gonna be fine“. Als wir anschliessend direkt an den Hafen fahren, steigt die Nervosität dann doch. Nichts mit Übungen im Pool. Es wird direkt ins Meer gehen. Ok Selina, du wolltest es ja so. Direkt viel sehen und so viel Zeit wie möglich im Meer verbingen. Wortwörtlich mich selbst ins (kalte) Wasser werfen. Kalt kann man das nicht nennen, wir sind schliesslich in Ägypten ;) Im ägyptischen Winter variiert die Wassertemperatur nur wenige Grad von den angenehmen 20°C an Land. Und das meist nach oben bis auf 23°C.

An Bord erhalten wir eine kurze Einführung, wo sich die Toiletten befinden, die nassen und trockenen Aufenthaltsbereiche sowie unsere Ausrüstung. Ich hänge mich sogleich an meine neuen Bekanntschaften und auf dem Sonnendeck warten wir, bis wir den ruhigen Hafen verlassen und aufs offene Meer hinaussteuern. Dort bin ich sogleich dankbar um meine Seekrank-losigkeit. Trotz ruhigem Wellengang schwankt das grosse Boot mächtig hin und her. Der kühle Wind zwingt einen schnell in den Innenbereich, wo man sich etwas mehr auf die Linien des Horizonts konzentrieren muss, um nicht der Übelkeit zu verfallen. Hier unten treffen wir auf ein weiteres Päärchen. Der Deutsche und seine Frau aus Belarus, die zusammen in Berlin leben, verbringen 3 Wochen in Ägypten. Nachdem sie von Kairo aus nach Alexandria und Luxor gereist sind, dem Nil einen Besuch abgestattet haben und die Grabstätten von innen, wie auch aus einem Heissluftballonflug aus bestaunt haben, nutzen sie die letzte Woche zum Tauchen. Er ist schon an zahlreichen Orten auf der Welt getaucht. Für sie wird es nach dem Scuba Diver Course Zeit für den Open Water Diver. So ist unser Trio komplett und wir erhalten die erste Einführung von Ahmed, unserem Tauchinstructor. Der grossgewachsene Ägypter wirkt sehr erfahren. Seine ruhigen Bewegungen an Bord sprechen für einen geduldigen Charakter. Die Schokobraunen Augen sind umrahmt von beneidenswert langen Wimpern und strahlen eine Ruhe aus, um die ich unterwasser noch dankbar sein werde. Seine gesamte Art passt zu Adnans Aussage, dass man einen guten Tauchinstructor bereits an seinem Verhalten an Bord erkennt.

Nachdem die erfahreneren Taucher zu einem Wrack hinuntertauchen, hält das Boot in seichteren Gewässer.

Die gesamte Crew hilft uns bei der Vorbereitung der Tauchausrüstung und dem Einsteigen ins Wasser. Vom sitzen aus plumpsen wir hinein und es geht erstmal runter auf 5 Meter, wo wir knieend im Sand die ersten Übungen im Wasser durchführen. Nach den Übungen schwimmen wir gemütlich am Riff vorbei. Die Sicht ist heute besonders gut und inmitten der zahlreichen Fische schiesst mir nur eines durch den Kopf: Tauchen ist toll! Ich muss mich richtig beherrschen, die Mundwinkel entspannt zu lassen, damit kein Wasser durch meine Grübchen in die Brille läuft. Dann ist der Tauchgang auch schon vorbei. Viel zu schnell und auf dem Boot kann ich den nächsten kaum abwarten. Erstmal jedoch erhalten wir ein Geschenk von Ahmed: Unser persönliches Tauchlogbuch. Eifrig fülle ich die erste Seite aus und erhalte anschliessend meinen ersten Tauchstempel. Meine Sammeleuphorie ist geweckt. In meinem Kopf schwirren schon Sätze der Begeisterung, die ich am Abend meinen Reisebegleitern erzählen möchte. Am Nachmittag geht es an den zweiten Tauchgang mit neuen Übungen. Auch diese verlaufen einwandfrei. Lediglich für den Druckausgleich benötige ich mehr Zeit als meine Tauchbuddies. Etwas, das mir irgendwie klar war, da ich meine Ohren kenne und trotz positiv ausgefallenem Tauchattest befürchtet habe. Hektik hat beim Tauchen sowieso nichts verloren, weswegen ich mir einfach genügend Zeit für den Abstieg lasse.

Wir sichten die ersten Blaupunktrochen im Schutz der Korallen, schwimmen vorbei an Nemo und seiner Familie und heben immer wieder die Hand zum Tauchzeichen "Ok".

An Tag 2 füllen wir das Taxi zu viert, Adi und Ramonas Tauchausrüstung inklusive. Während ich meinen Kurs fortsetze, tauchen die drei in Begleitung eines Guides in tieferen Gewässern. Bis 18 Meter tief erlaubt der Open Water Dive Course das Tauchen. Meine Vorfreude, grinsend an Bord zu steigen und vom Tauchen zu schwärmen bleibt leider aus. Beim 3. Tauchgang habe ich meinen ersten Panikmoment. Die ersten Übungen verlaufen so gut, dass ich bei der letzten wohl etwas zu übermütig Wasser in meine Taucherbrille laufen lasse. Ziel der Übung ist es, diese mittels vorgezeigten Fertigkeiten wieder zu entleeren. Etwas das mir eigentlich liegt. Doch das in die Nase laufende Wasser irritiert mich sosehr, das ich ins Husten komme, vergesse durch den Mund weiter zu atmen und eine kurze Sekunde Ertrinkungsangst habe, bevor ich die Brille in hastigen Bewegungen entleere. Die missglückte Übung beschäftigt mich den Rest des Tages und ich habe jetzt schon Angst davor, sie zu wiederholen. Oder noch schlimmer, die Brille komplett auszuziehen. Am Abend verschlägt es mich deshalb vor Kälte schlotternd in den Pool, wo ich das ganze mit Schnorchel und Taucherbrille versuche zu wiederholen. Mal erfolgreich, öfters ohne Erfolg.

Entsprechend nervös bin ich am dritten und damit eigentlich letzten Tag meines Open Water Course. Ahmed ist wieder die Ruhe selbst, während Sam und ich vor dem Briefing bibbern, bei dem er uns die nächsten Übungen erklärt. Sie selbst hatte grosse Mühe beim Entfernen und wieder in den Mund nehmen des Atemreglers. Das muss wohl noch aufwühlender sein, da man bei dieser Übung tatsächlich für kurze Zeit nicht mehr einatmen kann. Tatsächlich werden wir unsere nicht gelungenen Übungen beim nächsten Tauchgang wiederholen müssen. Dieses Mal geht es erneut auf 10 Meter hinunter. Der Druckausgleich gelingt mir beim fünften Tauchgang besonders gut und auch der Tauchplatz hat es mir angetan. Anstelle einer Riffwand schwimmen wir hier zwischen einzelnen Riffblöcken hindurch, von denen einer spektakulärer als der andere ist. Stellenweise durchschwimmen wir Schwärme von winzigen roten Fischen. Die Tarierung scheint heute auch zu sitzen und ich schwebe mühelos über und zwischen den korallenbewachsenen Felsen hindurch.


Nach der ersten gelungenen Übung, dem Navigieren mit Kompass, knie ich zuversichtlich auf dem Sandboden. 10 Meter tief, lese ich meinem Tauchcomputer ab. Sam wiederholt ihre Aufgabe und meistert sie gekonnt. Dann bin ich an der Reihe. Erstmal durchschnaufen und Ahmed das "langsam" Handzeichen zeigen. Dann Versuch Nr. 1. Oke die Brille war nur halb voll aber das Entleeren und ruhig bleiben hat geklappt. Zweiter Versuch also, bei dem mich Ahmed zur zusätzlichen Beruhigung am Jacket hält. Vielmehr kann man hier unten auch kaum machen, ausser sich in die Augen zu starren und ruhig zu atmen. Oder Fische anschauen, das hilft ebenfalls, um Ruhe zu bewahren. Jedenfalls, ich weiss nicht mehr wie, aber irgendwie hab ich das noch hingekriegt mit dem komplett Befüllen und Entleeren. Mir bleibt vor allem die anschliessende Euphorie in Erinnerung, als ich sein Ok Zeichen erhalte und wir uns gegenseitig die Hände zur Gratulation schütteln. Meine Erwiderung sind gleich doppelte Ok's und beim anschliessenden Weitertauchen scheint mein Herz Freudesprünge in 10 Meter Tiefe zu vollführen.

Heute steige ich mit riesigem Grinsen aus dem Wasser. Das Briefing vor Tauchgang Nr. 6 verschafft erneute Erleichterung. Keine Übung mit Abziehen der kompletten Brille. Stattdessen wiederholen wir die wichtigsten Abläufe und beenden den Tauchgang nach dem Sicherheitsstopp mit einem kontrollierten Notaufstieg. Das klingt nach einem Kinderspiel und ist es auch. Während dem 3-minütigen Stopp auf 5 Metern zeigt Ahmed in der Ferne auf einen riesigen silbern schimmernden Fisch. Ein Barrakuda! Ein Highlight nebst dem riesigen Steinfisch, den wir ohne Ahmed wohl kaum entdeckt hätten, da seine Schuppen optisch den Korallen gleichen. Bei einem Tauchgang zeigte er uns ausserdem eine enorme Moräne, die ihr Maul bedrohlich auf und zu machte, während wir ihren schlangenförmigen Körper von nahem betrachteten.

Mein lautstark mitgeteilter Wunsch waren ja Delfine. Doch die befinden sich vorerst erst auf meinem Logbuch. Denn leider haben wir uns gleich zu dritt eine leichte Erkältung eingefangen, die auch nach dem Relaxtag am Strand nicht verschwinden möchte. Und erkältet zu tauchen, das lernt man sehr zu Beginn der Tauchausbildung, kommt absolut nicht infrage und bei Ramona und mir, die eh schon etwas Mühe mit dem Druckausgleich haben (wir schieben's auf die Gene) erst recht nicht. Dafür gibt es ein paar unserer personalisierten Tauchstempel auf die Notizseite und wir sind uns sicher, nicht zum letzten Mal zusammen getaucht oder gar im Urlaub gewesen zu sein. Denn aus mir ist nun auch eine Taucherin geworden :)


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